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Lernen im Alter

Was es zu bedenken gilt, wenn Sie als Begleiterin oder Begleiter mit Seniorinnen und Senioren arbeiten, wird in diesem Artikel aufgezeigt. Neben den grundlegenden Besonderheiten der Zielgruppe werden Hinweise hinsichtlich Lernsetting, Lernstoff und Teilnehmerorientierung gegeben. Im Zentrum stehen die Auswirkungen der körperlichen Veränderungen im Alter und was diese für die Lehrpraxis bedeuten.

Erwachsene lernen anders als Kinder und Jugendliche. Bei älteren Menschen können noch weitere Besonderheiten hinzukommen.

1. Besonderheit der Zielgruppe

Erwachsene (und insbesondere ältere Menschen) können auf einen Schatz an Erfahrungen zurückgreifen. Sie bringen also eine Menge an Fähigkeiten und Vorwissen mit, welche in Lernsituationen sinnvoll genutzt werden können.

Außerdem hinterfragen Erwachsene Lerninhalte eher und haben grundsätzlich ein größeres Interesse an Inhalten, die „alltagstauglich“ sind und schnell in der Praxis angewandt werden können. Die Frage, warum etwas gelernt werden soll, steht häufig im Mittelpunkt.

Erwachsene (und insbesondere ältere Menschen) sind weniger lerngewöhnt (zumindest was formellere Lernsettings angeht), da die schulische oder berufliche Ausbildung meist schon lange zurückliegt. Manche verbinden mit Unterrichtssituationen gar unangenehme Erfahrungen.

Ängste können Lernen blockieren. Aus diesem Grund sollten Sie mögliche Ängste der Zielgruppe kennen und eine positive, angstfreie Lernumgebung schaffen. Eine angenehme, freundliche Atmosphäre, in der gelacht werden kann, trägt zum Wohlbefinden bei.

Die Motive beim Lernen können höchst unterschiedlich sein. Spielt privater oder sozialer Druck eine Rolle oder haben die Lernenden von sich aus den Wunsch, „rauszukommen“, neue Leute kennenzulernen oder sich persönlich weiterzuentwickeln?

Für Sie als Begleiterin oder Begleiter ist es wichtig, die Motive und Bedürfnisse der Lernenden zu kennen und diese auch deutlich zu machen. Die Motive hängen mit der Motivation zusammen, die unerlässlich für einen guten Lernerfolg ist.

Insbesondere ältere Erwachsene lernen möglicherweise aufgrund von körperlichen Einschränkungen anders als jüngere oder haben mit individuellen Schwierigkeiten zu kämpfen. Achten Sie auf eine entsprechend angepasste Lernumgebung.

 

2. Lernsetting

Eine angstfreie Lernumgebung und ein freundliches Miteinander spielen gerade in Kursen für Gruppen eine wichtige Rolle. Der Raum sollte idealerweise dem Lernen zuträglich sein. Schulische Umgebungen (Lehrperson vorne, Schulbänke etc.) können mit negativen Erfahrungen verknüpft sein und Ängste wecken. Im Idealfall sollte die Räumlichkeit verdeutlichen, dass miteinander gelernt wird. Gerade bei Kursen mit Smartphones und Tablets können Sitzgruppen (mit Tisch) sinnvoll sein.

Mit zunehmendem Alter ergeben sich verschiedene Veränderungen im körperlichen Bereich eines Menschen. Die Sehleistung kann abnehmen, die Hörfähigkeit sich reduzieren oder der Bewegungsapparat eingeschränkt sein. Diese Veränderungen im Lernsetting zu beachten, ist für erfolgreiches Lernen im Alter unbedingt notwendig, da gerade Menschen mit eingeschränkter Wahrnehmungsfähigkeit und Mobilität mehr Konzentration aufbringen müssen, um Umweltreizen zu folgen.

Die Lernleistung älterer Lernender kann dann beeinträchtigt sein, wenn kognitive und sensomotorische Tätigkeiten gleichzeitig verrichtet werden (müssen). Im Lernprozess sollte deshalb immer nur eine Aufgabenstellung bearbeitet werden.

Gleichzeitiges Üben an einem Gerät mit Erklärung durch einen Lehrenden kann zu einer verringerten Aufnahmefähigkeit führen. Erklär- und Übungsphasen sollten daher klar getrennt sein. Zudem soll auf eine möglichst gute Bedienbarkeit von Geräten geachtet werden.

Regelmäßige Pausen sind nicht nur wichtig, um die Konzentration aufzufrischen, sondern bieten auch Räume des sozialen Austauschs und des informellen Lernens.

 

3. Aktivierung der Teilnehmenden

Um ältere Lernende in einem Lernsetting möglichst aktiv einzubinden, ist es unerlässlich, die Lerninhalte möglichst adäquat auf die Bedürfnisse und Interessen der Teilnehmenden hin zu konkretisieren. Gerade beim Lernen im höheren Lebensalter steht häufig unausgesprochen die Frage im Raum, warum etwas gelernt werden soll. Lerninhalte sollten deshalb immer mit ihrer Sinnhaftigkeit auf die Teilnehmenden hin orientiert und Zusammenhänge mit konkreten Momenten in der Lebenswelt verknüpft werden.

Teilnehmerorientierte Methoden unterstützen dieses Ziel durch Beachtung des individuellen Lerntempos und einer möglichst praxisnahen sowie anschaulichen Vermittlung der Lerninhalte. Auch das Einbinden von gemachten Erfahrungen in konkreten Situationen (Beispiele vonseiten der Lehrenden oder der Teilnehmenden) kann hilfreich sein. Dieser Praxisbezug ist auch für die Lernmotivation relevant.

 

Wenn Sie technische Geräte verwenden achten Sie darauf, dass Sie dem Lernenden nicht das Tablet oder das Smartphone aus der Hand nehmen, um selbst Eingaben zu tätigen oder „damit es schneller geht“. Dies könnte als Kompetenz- oder Kontrollverlust erlebt werden. Ziel sollte immer sein, dass Aufgaben eigenständig erarbeitet werden, auch wenn das mehr Zeit kostet. Seien Sie geduldig: Die ersten Schritte brauchen einfach ihre Zeit. Motivation ist hier das A und O.

 

Körperliche Veränderungen im Alter und Folgen für die Lehrpraxis im Überblick

Veränderungen im Wahrnehmungssystem

  • Farbwahrnehmung ist empfindlicher
  • Sehschärfe/Tiefenschärfe lässt nach
  • Augenerkrankungen treten auf
  • Hörvermögen lässt nach
  • Abnahme des Tastsinns

 

Folgen für die Lehrpraxis:

  • Beleuchtung beachten
  • Tischanordnung/Sichtfeld beachten
  • Lautstärke und Akustik (störende Nebengeräusche z.B. durchs Fenster 
etc.)
  • Kontrastverhältnisse beachten
  • Lesbarkeit von Inhalten (Merkblätter etc.)
  • Bedienung von technischen Geräten kann erschwert sein, Alternativen 
anbieten (z.B. Tablet-Stift zur Eingabe)
    entsprechende Eingabehilfen thematisieren (Schriftgrößen- /Farbänderung etc.)

 

Veränderungen im Bewegungsapparat

  • Einschränkung der Motorik
  • Abnahme der Mobilität

 

Folgen für die Lehrpraxis:

  • klare Trennung von Übungs- und Erklärphasen
  • Sensomotorische Hürden abbauen, z.B. auf gute Bedienbarkeit von 
Geräten achten
  • nur eine Aufgabenstellung, keine Erklärungen während Übungen
  • barrierearme Umgebung

 

Veränderungen in der Psyche

Ältere Menschen

  • haben keine schlechtere Gedächtnisleistung als jüngere
  • lernen anders als jüngere,
  • sind häufig „lernentwöhnt“
  • sind andere Lernumgebungen außerhalb von Beruf, Schule, Studium gewöhnt

 

Folgen für die Lehrpraxis:

  • klare Trennung von Übungs- und Erklärphasen
  • eventuell vorhandene negative Einschätzung von Lehr-/Lernkontexten abbauen
  • biografischen Selbstbezug herstellen (an die Lernbiografie der Lernenden anknüpfen)
  • Wiederholungen
  • Geduld
  • kein Zeitdruck
  • alltagsnahe Beispiele
  • Lehr- und Lernmaterialien möglichst wenig technisch, sondern möglichst alltagsnah und mit vielen Beispielen

 

Veränderungen im sozialen Umfeld

Ältere Menschen

  • haben veränderte soziale Umgebungen
  • sind sozial oft höchst aktiv
  • unterscheiden sich in ihrer Lebensweltkonstellation

 

Folgen für die Lehrpraxis:

  • Veranstaltungen sollen soziale Momente bieten
  • lockere, offene Lernatmosphäre fördern
  • informelles Lernen nicht unterschätzen
  • an Biografie und Interessen der Lernenden anknüpfen (biografischer Selbstbezug)
  • Motivationslagen erkunden
  • Motivation schaffen

 

Quelle: Preßmar, Florian (2017): Silver Surfer – Förderung der Medienkompetenz von Senioren. [Dissertationsschrift]

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